Das Orientbild im "Herzog Ernst" zwischen Wirklichkeit und Phantastik

Abstract

Die vorliegende Studie hat sich die Aufgabe gestellt, den "Herzog Ernst", eine der beliebtesten Dichtungen des Mittelalters, zu untersuchen. Dabei liegt der Hauptakzent auf der Analyse des Orientbilds und dessen Funktion im "Herzog Ernst" unter besonderer Ber~cksichtigung der beiden Momente der Wirklichkeit und der Phantastik im "Herzog Ernst". , Die Dichtung vom "Herzog Ernst", deren Datierung traditionell um die Jahre 1170-1180 verlegt wird, ist in mehreren, teilweise fragmentarischen Handschriften ~berliefert. Sie beruht auf einer weit verbreiteten Sage van einem Herzog Ernst von Bayem und ist in verschiedenen Versionen mehrfach (Reim, Prosa, Mittel- und Frtihneuhochdeutsch, wie auch Latein) anonym bearbeitet worden.1 Die eigent~mliche Verschr~nkung mehrerer Stoffbereiche zeichnet den "Herzog Ernst" aus: Deutsche Reichsgeschichte, ritterliches Heldentum und Orientreise werden hier miteinander verkn~pft. Die Geschichte von Ersts Emp~rung gegen Kaiser Otto, seine Wiedervers~hnung mit dem Reich, die erst nach einer Abenteuerreise in den Orient eintritt und fast zwei Drittel des Werkes umfa~t, verwebt das Ganze zu einer spannenden Textur. Die Kombination des Phantastisch-Wunderbaren der Orientreise mit dem Wirklichen der Historie, der Reichsgeschichte, ist der Angelpunkt der vorliegenden Arbeit, in der besonders die Darstellung des Orients n~her in Betracht gezogen werden soil, ohne dabei die historisierenden Elemente zu vernachl~ssigen, wie sie sich in den handlungstragenden Figuren und dem Konflikt ~u~ern. Der deutschen Reichsgeschichte sind Emp~rungen von F~rsten bekannt und auch die Namensgebung hat sich der Historie bedient. Andererseits ist es au~erordentlich wichtig, das Orientbild unter dem Aspekt der Dualit~t von Wirklichkeit und Phantastik gr~ndlich zu untersuchen und zu interpretieren, ohne die bisher von den Forschem vorgenommene Trennung des Werkes in Reichsteil und Orientteil zu ~bernehmen. Bisher hatten die meisten Forscher den Orientteil im "Herzog Ernst" aus werkgenetischen Gr~nden als sekund~re Zutat, die zur blo~en Unterhaltung zu dienen habe, abgewertet und keiner gr~ndlichen inhaltsbezogenen Untersuchung unterzogen.